Die Weltbevölkerung wächst, die landwirtschaftlichen Anbauflächen schrumpfen und immer mehr Nahrungsmittel landen im Tank und nicht auf dem Teller. Wer also ernährt die Welt? Die Biolandwirtschaft, die Ressourcen schonen und nachhaltig wirken will? Oder die industrielle, technikgestützte Landwirtschaft? Die für sich in Anspruch nimmt, so ertragreich zu arbeiten, dass sie immer mehr Menschen auf der Erde satt machen kann? Ein Argument auf der einen, gleich das Gegenargument auf der anderen Seite. Beispiel Wald: Würde man die Welt mit Biolandwirtschaft ernähren wollen, müsste man großflächig Wälder roden, um mehr Anbauflächen zu gewinnen. Sagen die einen. Stimmt nicht, sagen die anderen, Wälder werden höchstens für die industrielle Landwirtschaft gerodet, um Soja anzubauen für die Turbomast. Dieser Schlagabtausch lässt sich endlos weiterführen. Schnittmenge? Keine.

Was ich immer wieder erstaunlich finde: Alles ist Ansichtssache. Und hier diskutieren keine Historiker, sondern Naturwissenschaftler. Als Geisteswissenschaftler lernt man ja sehr früh, sich beim Erkenntnisgewinn hinten anzustellen. Denn angeblich sind sie ja Diskussionswissenschaften, Wahrheiten gibt es keine. Ganz anders sei das bei den Naturwissenschaftlern, so haben sie es mir schon in der Schule erzählt. Hier gäbe es Fakten, klare Erkenntnisse, kein Herumgedeutel. In diese Reihe haben sich lange Zeit auch ganz gerne die Volkswirte eingereiht. Alles basiere auf Logik. Wirtschaftskreisläufe ließen sich klar erkennen, Ursachen zweifellos analysieren, Zukunftsszenarien eindeutig schlussfolgern. Klar, deshalb konnte man ja auch so einfach Schulden, die man nicht bedienen wollte, bündeln und weiterverkaufen, dann waren sie weg. Total logisch. Leider mit der kleinen Nebenwirkung einer weltweiten Finanzkrise. Der Widerstand gegen diese mathematische Sichtweise kommt daher nun auch aus den Reihen der Volkswirte selbst. Denn auf Wirtschaftskreisläufe wirken gesellschaftliche und psychologische Faktoren ein. Sprich: Sie werden von Menschen gemacht. Daher sind sie weder logisch noch berechenbar.

Selbst als Journalist im Ressort Wirtschaft stellt man fest: Alles Ansichtssache. Also: Obacht vor den Leuten mit der unzweifelhaften Deutungshoheit.