Es gibt keine globale Wirtschaftselite, sagt der Soziologe Michael Hartmann in seinem neuen Buch, wofür er die Daten von 20.000 Personen weltweit analysiert hat. Aber ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Eine gute, sagt Michael Hartmann in meinem Interview mit ihm auf der Frankfurter Buchmesse 2016. Ganz einfach, weil es weniger Steuerflucht geben könnte, wenn es die Politik zulassen würde:  „Auch die Superreichen sind in der eigenen Kultur und Sprache verhaftet.“ In Wirklichkeit setzten sich Reiche nämlich gar nicht ins Ausland ab und entzögen sich dem Gesetz, im Gegenteil. Die meisten blieben in dem Land, in dem sie aufgewachsen seien. Ähnliches gelte im übrigen auch für Unternehmen, beschreibt Hartmann: Konzerne verlagerten zwar ihre Standorte, die Zentralen aber blieben. Denn neben den Faktoren Kultur und Sprache gäbe es noch einen weiteren Grund: den Kontakt zur Regierung. Oft handele es sich einfach nur um juristische Finessen, gegen die man vorgehen könnte, argumentiert Michael Hartmann weiter. Die USA zum Beispiel erschweren ihren Unternehmen die rein juristische Verlagerung von Unternehmenssitzen. Steuereinnahmen ließen sich also deutlich steigern, wenn der Staat bei denen stärker zugreifen würde, die in den vergangenen Jahren an den Steigerungen der Aktien- und Immobilienmärkte deutlich verdient hätten, fordert Michael Hartmann. „Ich bin mir sicher, dass die prognostizierte Fluchtbewegung nicht eintreffen wird.“  Was folgt also daraus? Occupy irrt, wenn die Bewegung immer wieder auf die bestens vernetzte internationale Finanzclique verweist. Es irrt der Staat, der behauptet, die Hände seien ihm gebunden im Kampf gegen die Steuerflucht  der Reichen. Und es irren auch die Manager, die zur Rechtfertigung ihrer Spitzengehälter auf die Usancen eines „internationalen Marktes“ verweisen. Den gibt es nämlich gar nicht.

Michael Hartmann: Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende. Campus 2016.
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=62268