Ein Familienroman mit ungewöhnlicher Tonalität. Denn er holt die jüdische Geschichte aus ihrer tragischen Rolle heraus. Es geht bei „Mischpoke“ von Marcia Zuckermann um vier Generationen der Familie Kohanim. Erzählt aus der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Und auch hier ist es offensichtlich, dass die Autorin die Geschichte ihrer eigenen Familie festhält. Marcia Zuckermann führt den Leser zunächst in das großbürgerliche Milieu Westpreußens im Fin de siècle. Die jüdische Industriellenfamilie Kohanim distanziert sich nicht nur von den protestantisch-deutschen und katholisch-polnischen Familien, sie distanziert sich vor allem von den „Kaftan-Juden“. Das sind die armen Juden vom Weichselufer, finster, schmuddelig und nach Knoblauch stinkend, wie es bei Zuckermann heißt. Schon allein diese unsentimentalen Milieustudien sind es wert, das Buch zu lesen.

Was den Roman allerdings sehr besonders macht, ist der Humor und die Überzeichnung der Charaktere. Die Familie Kohanim hat sieben Töchter, deren Eigenwilligkeit so detailliert beschrieben wird, dass ich mich an die Figuren aus Gogols „Abenteuer Tschitschikows“ erinnert fühle. Insbesondere Tochter Franziska kennzeichnet ein ausgeprägter Standesdünkel. Sie teilt Menschen knallhart in unterschiedliche Kasten ein, angefangen bei „guten Seelen“, „Menschen“, „Leuten“, „Pack“, „Geschmeiß“ und „niederem Geschmeiß“. Die Schicksale der sieben Töchter stellen die Geschichte des nun beginnenen 20. Jahrhunderts da. Die Familie verschlägt es größtenteils nach Berlin, wo der Erste Weltkrieg vorübergehend bürgerliche Anerkennung bringt. Der tragikomische Ton des Romans sowie die jüdische Selbstironie bleiben, auch wenn mit der beginnenden Verfolgung im Dritten Reich die Handlung immer dramatischer wird.  „Mischpoke“ hat eine zweite Ebene, die in der Gegenwart spielt, die Ich-Erzählerin berichtet aus der Psychiatrie und erzählt rückblickend die Geschichte ihrer Familie. Auslöser ihres Psychiatrie-Aufenthalts ist eine etwas verworrene Geschichte, über die nur andeutungsweise berichtet wird. Im Kern geht es aber um Fluchthilfe, die die Ich-Erzählerin illegalerweise betrieben hat. Hier findet sich wieder eine Analogie zur Haupthandlung.  Diese Parallelgeschichte wirkt ein bisschen sperrig, denn die Verbindung beider Ebenen erscheint bisweilen erzwungen.  Trotzdem ist der Familienroman „Mischpoke“ mit seiner ungewöhnlichen Tonalität ein sehr lesenswertes Buch.