„Nur wenn Du allein kommst“ liest sich wie ein Kriegstagebuch. Auf der Frankfurter Buchmesse 2017 habe ich die Journalistin getroffen und sie gefragt, was die Arbeit als Reporterin hinter den Fronten des Dschihad auch mit ihr persönlich gemacht hat. In dem Interview sitze ich einer Frau gegenüber, für die es nicht ungewöhnlich ist, selbst Interviews zu führen. Nur, dass bei ihren eigenen Interviews die Gesprächspartner nicht selten eine Waffe tragen. Während des Gesprächs am Messe-Samstag 2017 in Frankfurt füllt sich unser 3sat-Forum immer weiter mit Zuschauerinnen und Zuschauern. Denn nicht nur die Geschichten, die Souad Mekhennet zu erzählen hat, packen die ganze Aufmerksamkeit. Es ist auch ihre Persönlichkeit selbst.  Sie spricht so konzentriert und analysierend über ihre Arbeit, dass jedem schnell klar wird, mit welchem hohen Maß an Professionalität sie vorgeht. Erst drei Tage vor diesem Interview hat Souad Mekhennet in den USA den Daniel Pearl Preis für investigativen Journalismus gewonnen. Nur eine von vielen Auszeichnungen.

Das Buch „Nur wenn Du allein kommst“ nennt die FAZ in einer Rezension eine „verschleierte Autobiographie“. In der Tat geht es in dem Buch stark um die Autorin selbst, um die Journalistin Souad Mekhennet aus Frankfurt am Main. Sie wächst mit einem sunnitischen Vater aus Marokko und einer schiitischen Mutter aus der Türkei auf. Als Tochter jedoch fühlt sie sich keiner der beiden Glaubensrichtungen des Islam zugehörig. Und der Wandel zwischen diesen beiden Welten ist ein Leitmotiv ihres Buches. Das zweite Leitmotiv, das ist das Gefühl der Ausgrenzung. Als muslimische Frau und als Arbeiterkind gehört sie in Deutschland nirgendwo dazu. „Frauen mit schwarzen Haare sind böse“, das hört sie bereits im Kindergarten. Sie wird später dann zwar die renommierte Henri-Nannen-Schule für Journalisten absolvieren. Übrigens als erste arabisch-muslimische Frau. Aber dennoch fühlt sich Mehhennet auch unter ihren Journalistenkollegen unausgesprochende Ressentiments ausgesetzt.

Es wird sehr schnell klar, dass eine hohe persönliche Motivation die Autorin dazu gebracht hat, hinter die Fronten des Dschihad zu reisen und sich mit international gesuchten Verbrechern zu treffen. Immer wieder sucht sie Parallelen in den Biographien, entdeckt Gemeinsamkeiten zwischen sich und anderen in Europa aufgewachsenen muslimischen Jugendlichen, die später loszogen, um im Namen des Dschihad Menschen zu töten. Zumindest im Buch erkennt Souad Mekhennet immer wieder diese Parallelen, als ich sie aber im Messe-Interview darauf anspreche, lässt sie sich auf diese Frage nicht weiter ein. Mekhennet ist heute noch nicht einmal 40 Jahre alt und hat bereits Geschichte geschrieben. So hat sie unter anderem den Fall Khaled al-Masri aufgedeckt, die Geschichte des Deutsch-Libanesen, der als Unschuldiger von der CIA entführt und in Gefängnissen in Afghanistan gefoltert wurde. Sie bereiste den Irak während des Krieges 2003, Ägypten während des Arabischen Frühling, sie trifft sich alleine mit führenden Köpfen des IS in entlegenden Gegenden zwischen der Türkei und Syrien und gerät in Kairo sogar in die Folterkeller des Mubarak-Regimes. Immer angetrieben von dem Ziel, sich ein eigenes unabhängiges Bild zu machen. Von der Sache, dem islamistischen Terror, aber auch von den Köpfen dahinter. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, sagt die Autorin im Interview, warum die Dschihadisten so handeln. Warum sie „uns“ so hassen. Das Buch ist auch eine Abrechnung mit dem Umgang des „Westens“ mit der muslimischen Welt. Wir predigen Moral und dulden Waterboarding in Guantanamo. Wir mahnen Menschenrechte an und akzeptieren die CIA-Entführung eines deutschen Staatsbürgers, Khaled al-Masri, und seine Folterung in Afghanistan. Mit diesem „Messen mit zweierlei Maß“ lassen wir junge Muslime in die Arme von Dschihadisten laufen, sagt Souad Mekhennet. Der IS werde vielleicht irgendwann wieder verschwinden. Aber die Radikalisierung junger Muslime werde weitergehen, wenn wir nicht unsere eigene Moral hinterfragten: „Die Welt steuert keinem Krieg der Zivilisationen oder Kulturen entgegen, sondern einer Konfrontation zwischen den Vermittlern, die Brücken bauen, und denjenigen, für die alles schwarz oder weiß ist, die Hass verbreiten und Spaltung betreiben.“

http://www.chbeck.de/mekhennet-du-allein-kommst/product/20208626

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=69327