Nachklapp zur Frankfurter Buchmesse 2018. Die hohe Diskussionsfreude in diesem Herbst hat mir gefallen, überall Panels, Gespräche, Musik. Von den insgesamt acht Gesprächen, die ich auf der Messe geführt habe, halte ich schlaglichtartig einige Thesen Blog fest. Warum soll die Elite in unserer Gesellschaft abgehoben und demokratiezerstörend sein? Weil die Gewinner des Finanzbooms vor 2008 nicht zu den Verlierern des Crashs nach 2008 gehörten. Sagt der Soziologe Michael Hartmann auf dem Blauen Sofa. Und weil Aufsteiger in unserer Gesellschaft unter sich bleiben und die Politik diese Entwicklung auch noch fördert. Und die Frauenquote, die Michael Hartmann prinzipiell befürwortet, verstärkt sogar den Trend: „Bürgertöchter verdrängen Arbeitersöhne“. Als Statussymbol treten in den deutschen Managementetagen bildungsbürgerliche Tugenden immer weiter in den Hintergrund. Einfacher Grund, sagt Michael Hartmann: Sie kosten Zeit. Musikinstrumente gut zu beherrschen oder sich in anspruchsvolle Literatur zu vertiefen, geht nicht morgens eine halbe Stunde vor Bürobeginn. Deshalb wird Sport immer wichtiger, die Zeiten beim Marathon sind heute angesagt als Smalltalk-Thema in Führungsetagen. Der Trend, Leistung in Messbarkeit und Vergleichsparameter zu verwandeln, macht also auch vor dem Management nicht halt. Stark fand ich Michael Hartmanns Argumentation im Hinblick auf die AfD.  Ist sie am Ende vielleicht sogar im Recht mit ihrer Elitenkritik? Ganz und gar nicht, kontert der Soziologe, denn im Kern sei das Programm wirtschaftsliberal. Von der Politik für den „kleinen Mann“ sei dort wenig zu lesen, ganz im Gegenteil.

Das Interview auf dem Blauen Sofa der Frankfurter Buchmesse 2018 in voller Länge gibt es hier zu sehen und zu hören:
https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/hartmann-blaues-sofa-14-10-2018-100.html
https://www.campus.de/autoren/michael_hartmann-518.html

Der Filmemacher und Journalist Dirk Laabs hat sich wieder mit der Deutschen Bank beschäftigt. Neben seinem neuen Film erschien in diesem Herbst auch sein Buch über Aufstieg und Fall des Geldhauses. Es hat Längen, das Buch zu lesen, ist echte Arbeit. Aber ich kann es sehr empfehlen, weil sowohl das Buch als auch der Film viel preisgeben über den Zeitgeist der 1980er Jahre bis hinein ins neue Jahrtausend. Die Politik war den Finanzmärkten hörig. „Die Deutsche Bank hat alles mitgenommen“, sagt Dirk Laabs. Fehlspekulationen und krumme Dinger beim Goldfixierung oder Libor sind weit verbreitet, aber keine Bank, sagt Laabs, hat so viel Dreck am Stecken wie die Deutsche Bank. Trumps wirtschaftlichen Wiederaufstieg ermöglichte ebenfalls die Deutsche Bank, die ihm Geld lieh, als schon keiner mehr Geschäfte mit Trump machen wollte. Zum Verhängnis ist der Deutschen Bank ihr wankendes Geschäftsmodell geworden. Mal wollte sie Global Player werden und im Investmentbanking mit den Großen pinkeln, dann doch lieber wieder bürgerliche Geschäftsbank. Die fehlende Strategie belastet die Bank am stärksten.

Das Interview auf dem Blauen Sofa der Frankfurter Buchmesse 2018 in voller Länge:

https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/laabs-blaues-sofa-14-10-2018-102.html
https://www.randomhouse.de/Buch/Bad-Bank/Dirk-Laabs/DVA-Sachbuch/e530858.rhd

Außerdem habe ich über Belletristik gesprochen in diesem Messeherbst, gleich drei Interviews hatte ich mit Nino Haratischwili, die nominiert war für den Deutschen Buchpreis 2018. Einen Namen hat sie sich bis dahin vor allem mit dem epochalen Roman „Das achte Leben“ gemacht, den ich in meinem Blog schon vor 2 Jahren besprochen habe. Ein kraftvoller Roman mit einem starken Stoff. Nun widmet sich die Georgierin wieder der Geschichte der Sowjetunion, allerdings geht es dieses Mal um den nördlichen Kaukasus. Der aktuelle Roman „Die Katze und der General“ dreht sich um die Beziehung zwischen Russland und Tschetschenien, in weiten Teilen spielt der Roman in den 1990er Jahren zur Zeit des ersten Tschetschenienkrieges. Er beruht auf einer wahren Begebenheit, es ist die Geschichte des russischen Oberst Budanow, der aus Langeweile – angetrieben durch Alkoholsucht – die tschetschenische Bevölkerung schickaniert und am Ende sogar massakriert. Nino Haratischwili ist zur Recherche nach Tschetschenien gereist, „terra incognita“, wie sie im Interview sagt, denn aus der „abtrünnigen Republik“ dringen kaum Nachrichten nach außen. Umso wichtiger sind die Eindrücke, die Nino Haratischwili im Interview auf dem Blauen Sofa schildert:

https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/haratischwili-blaues-sofa-11-10-2018-100.html
https://www.fva.de/Buecher/Neuerscheinungen/Die-Katze-und-der-General.html