Von den fünf Gesprächen, die ich auf der Messe geführt habe, drehen sich drei stark um die aktuellen wirtschaftspolitischen Debatten in Deutschland. Deshalb kurz das Wichtigste im Überblick.

Die These des Soziologen Heinz Bude, dass uns die Solidarität verloren gegangen sei, kommt genau zur richtigen Zeit. Heinz Bude geht aber noch einen Schritt weiter: Weil wir den Begriff als altmodisch abgestempelt haben, hat die Rechte ihn für sich besetzt. Und jetzt müssen wir alles daran setzen, uns die Solidarität zurückzuholen. Denn Solidarität gehört zu denjenigen, die anderen Menschen mit Respekt begegnen. Und nicht zu denjenigen, die den Begriff missbrauchen, um Stimmung gegen Zuwanderer zu machen. Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass uns die Solidarität abhanden geht?

Es ist nicht nur der Neoliberalismus unter der Schröder-Regierung, kritisiert Heinz Bude. Es ist auch unser Zeitgeist, der Soziales zu einem Loser-Thema macht. Selbstoptimierung ist gefragt. Und nun kommen die Rechten daher und geben dem angestaubten Image der Solidarität eine Frischzellenkur. In der Tat, das kann man bei Google Trends deutlich erkennen, schnellt die Verwendung des Begriffs im Herbst 2015 deutlich in die Höhe. Aber wie holen wir uns die Solidarität zurück? An der Stelle bleibt Heinz Bude leider sehr vage. Das Interview in voller Länge:

https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/bude-blaues-sofa-22-03-2019-100.html

Auch Stefan Brunnhuber will die Gesellschaft gegen rechts verteidigen, er fordert eine offene Gesellschaft im Sinne Karl Poppers. Der schrieb sein Buch nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Eindruck von Nationalsozialismus und Stalinismus. Heute aber, sagt Brunnhuber, sei die offene Gesellschaft wieder bedroht: Außenpolitisch durch die wachsenden autokratischen Tendenzen, innenpolitisch durch das Erstarken des Populismus und die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Die Trennlinie, das ist der wesentliche Punkt von Stefan Brunnhuber, verläuft nicht mehr zwischen Links und Rechts zum Beispiel oder zwischen der NATO und dem Rest der Welt. Die Trennlinie geht mitten durch die Gesellschaft hindurch.

Offene Gesellschaft, das heißt für Stefan Brunnhuber zum Beispiel, dass die Gesellschaft einen Boden, aber keinen Deckel haben sollte. Der Boden, das sind verlässliche soziale und ökologische Standards. Wenn die garantiert seien, könnten offene Gesellschaften auch extreme Einkommensunterschiede aushalten. Denn offene Gesellschaften brauchten Menschen, die hohe Risiken eingingen und Unternehmergeist hätten. Das Interview in voller Länge:

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=79809

Werner Plumpe schaut zurück und bietet dabei aber viele Antworten auf die Fragen der Gegenwart. Seine stärkste These lautet: Der Kapitalismus ist eine Unterschichtenökonomie und keine Wirtschaftsformt, in der die Reichen das Sagen haben. Denn Reiche nutzten ihr Kapital, um Fabriken einzurichten, in denen arme Menschen Güter produzierten, die sie anschließend selber konsumieren könnten. Bevor es den Kapitalismus gab, konnten Menschen zwar auch schon konsumieren, aber die Dinge kamen aus aufwändigen Produktionen und waren für arme Menschen unerschwinglich. Die Unterschicht wurde nur ausgepresst und nicht als Konsument gesehen. Ein Merkmal des Kapitalismus sei der Homogenitätszwang, meint Werner Plumpe, eine logische Konsequenz der kapitalistischen Massenproduktion. Beispiel Ernährungsgewohnheiten: Weltweit nähern sie sich an, weil der globale Lebensmittelhandel immer konzentrierter in der Hand weniger Ketten ist.

Mit Blick auf die „Hilfe, wir steigen ab“-Debatte in Deutschland kritisierte Werner Plumpe die Haltung, Deutschland habe per Vorsehung das Recht darauf, ein reiches Land zu sein. Der Blick in die Geschichte zeige dagegen, dass Deutschland den überwältigenden Teil seiner Vergangenheit ein armes Land gewesen sei. Im 19. Jahrhundert herrschte beispielsweise eine Unterbeschäftigungskrise wie heute in weiten Teile Afrikas oder des arabischen Raums.

Und die Frage aller Fragen: Welche Alternativen gibt es zum Kapitalismus? Keine wirkliche, denn bislang habe sich keine Wirtschaftsform als so wandlungsfähig erwiesen wie diese. Das Interview in voller Länge:

https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/plumpe-blaues-sofa-23-03-2019-100.html